Im selbst gebauten Holztipi wohnen
Dieter Junker hat seiner Tochter Olivia mitten im Schwarzwald ein Holztipi gebaut – und aus der ungewöhnlichen Wohnidee ein nachhaltiges Geschäftsmodell gemacht.
Olivia Junker fühlt sich im Tipi „megawohl“
Wer sich tief in das hintere Tal der baden-württembergischen Gemeinde Nordrach windet, wird überrascht. Plötzlich lugt es hervor, dieses spitz zulaufende Holzgebäude neben dem charakteristischen Schwarzwaldhäuschen mit Walmdach. Tritt man in das eigentümliche Tipi ein, fühlt man sich sogleich ummantelt. Es riecht herrlich nach Holz, und auf die Ohren legt sich eine Art Schalldämpfer, als tauche man unter Wasser.
Von draußen strömt ein Luftzug durch die großzügige Doppelflügeltür und scheint den Raum zu weiten. Und spätestens, wenn der Blick durch eines der vielen Fenster auf die hügelige, dicht bewaldete Landschaft fällt, versteht man, wenn Olivia Junker sagt: „Ich fühle mich hier megawohl.“
Im XXL-Holztipi zu Hause
Das 75 Quadratmeter große Zuhause mit komfortablem Zeltgefühl auf zwei Ebenen hat ihr Vater geschaffen. „Ein Tipi weckt Urinstinkte des Menschen, auch spirituell“, meint Dieter Junker, ein bäriger Typ, dessen graue Mähne ein Stirnband im Zaum hält.
Der Mann weiß, wovon er spricht. Immer wieder hat der 65-Jährige in den Sommermonaten in einer Siedlung der Indigenen im Yukon gelebt, sich in die Jagd und schamanische Praktiken einweisen lassen, eine Blockhütte gebaut, aber auch viel in Zelten geschlafen. Regelmäßig unternahm der Outdoor-Fan und Hobby-Überlebenskünstler auch mit seiner Familie Abenteuerurlaube in der kanadischen Wildnis. Ein Unterschlupf zum Schutz vor Bären und Wetter boten dann zusammengebundene Äste.
Die Junkers haben Holz im Blut
Hier in seiner Heimat im Schwarzwald sollte dieses Gefühl von Sicherheit und Behaglichkeit auf Junkers weitläufigem Grundstück seine Fortsetzung finden: mit einem Tipi aus Lkw-Planen. Doch dieses war im Winter zu kalt, und im Sommer schimmelte es. So entstand die Idee, ein Tipi aus Holz zu bauen.
Und weil dies so manchen Bewunderer fand, gründete der gelernte Industriemeister (Fachrichtung Holz) und letzter Spross von Sägewerksbetreibern in fünfter Generation mit Tochter Olivia „Spirit Home“. Die Intention dahinter: die Urform menschlichen Wohnens auf die heutigen Anforderungen anzupassen.
Ein Tipi zum Wohnen: In einer Woche aufgebaut
Junkers klassischer Sägewerksbetrieb ist mittlerweile Geschichte. Nun ist ein Technologie- und Entwicklungszentrum für ökologische, nachhaltige Holzprodukte entstanden. Seine hölzernen Zelte seien in einer Woche aufgebaut, in einer weiteren Woche ausgebaut und könnten mit Anleitung auch gut selbst errichtet werden.
Das große Tipi hingegen sei „ein Unikat, europaweit einzigartig“, so Vater Junker. Da brauche es ein festes Betonfundament, mindestens einen Monat für den Aufbau und noch mal mindestens sechs Wochen für den Innenausbau. Gesamtkosten: ca. 300.000 Euro. Kleine Tipis mit einem Durchmesser zwischen viereinhalb und sechs Metern könnten hingegen für etwa 2500 Euro pro Quadratmeter entstehen.
Schafwolle fürs Wärmen und Kühlen
Junker öffnet die Tür zum Badezimmer, eine Fertigbaukabine mit Wohnmobil-Charakter, die fest mit dem Betonfundament verbaut ist und an die sich eine moderne Küche anlehnt. „Um die haben wir quasi alles herumgebaut“, erklärt er. Dann führt er über den Holzboden zur kegelförmig zulaufenden Innenwand, drückt kurz mit dem Finger rein und meint: „Alles mit Schafwolle ausgekleidet. Im Sommer kühlt sie das Innere, im Winter wärmt sie es.“
Über eine frei schwingende Holztreppe geht es mit Olivia nach oben zur offenen Hochebene. Diese bietet Platz für ein kleines Arbeitszimmer sowie für einen angrenzenden Schlafbereich, wo sich das Bett durch einen Vorhang zum Kokon machen lässt. „Wenn die Nacht klar ist, kann man dort die Sterne sehen“, schwärmt die 23-Jährige.
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Massivholz: Für Junker ein Material mit Wohlfühlcharakter
„Ich schaffe gerne mit Holz. Es ist ein natürliches, nachwachsendes Produkt und sorgt für ein gutes Raumklima. Außerdem hat es Wohlfühlcharakter“, sagt Junker. Die Weißtanne setzt er mit Vorliebe als Baumaterial ein, weil sie sehr langlebig sei, keine harzgefüllten Hohlräume habe und, was ihm sehr wichtig sei, direkt vor der Haustür wachse.
Die Produkte, die er verarbeitet, sollen nachhaltig und in der unmittelbaren Umgebung zu finden sein. Die Verbindung zur Natur und deren bewusstes Erleben – das ist sein großer Antrieb. Die vielen Reisen in unberührte Landschaften und das ständige Draußensein haben auch sein Verständnis vom Wohnen geprägt. „Wohnen braucht Freiraum mit gesunden, natürlichen Baustoffen.“
Eine ökologische Alternative
So kamen auch beim Tipi ausschließlich Naturmaterialien zum Einsatz und bei Boden, Decke und Holzelementen leim- und schadstofffreie sowie luftdichte Platten. Ebenfalls stolz ist der Tüftler auf seine patentierte Eindeckung der Tipi-Außenwand.
Er streicht mit seiner Hand darüber und erzählt, wie er das erste Tipi noch mit unterfrästen, konisch geformten Schindeln eingedeckt hat, was aber zu aufwendig und zu teuer war. „Deshalb habe ich diese zweilagige Holzeindeckung mit absolut wasserdichten, genuteten Unterbrettern und speziellen Rundprofilen entwickelt.“ Und auch auf die Dachspitze verweist Junker mit Freude: eine mit Hölzern gesteckte und verschraubte Stahlkonstruktion und Herzstück für Dichtheit und Statik.
Tiny-House-Dorf in Planung
Junker sieht sich als Entwickler und Erfinder, der gern an ökologischen und nachhaltigen Lösungen tüftelt. Sein neuestes Experiment ist schon in Planung. Wenn der richtige Platz gefunden ist und die Baugenehmigung vorliegt, soll ein komplett nachhaltiges Tiny-House-Dorf mit sozialem, genossenschaftlichem Charakter folgen – auf Stützfundamenten, die den Boden nicht versiegeln, und mit niedrigen Baukosten für ein erschwingliches Wohnen.
Acht bis neun Tipis und Kleinhäuser, teilweise mit Sauna, will er errichten, zudem eine Gemeinschaftsjurte, eine Gartenanlage für Gemüseanbau und eine Hühnerzucht im Sinne einer Selbstversorger-Philosophie. Man staunt also einmal mehr, was sich da an diesem abgelegenen Ort mitten im Schwarzwald so alles tut.