Mann, Daniel Kroh, vor Gitterrollkörben mit gebrauchter Kleidung

Recycling-Mode: Drei Labels,
die nachhaltige Kleidung designen

Abgelegte Arbeitskleidung als Ausgangsmaterial für stylishe Klamotten, Plastikmüll aus dem Meer für die Produktion cooler Workwear: Diese drei Labels bringen Textil-Recycling groß in Mode – kreativ und nachhaltig.

Daniel Kroh neben einer Schneiderpuppe und vor Regalen mit Kleidung Daniel Kroh neben einer Schneiderpuppe und vor Regalen mit Kleidung

Daniel Kroh: Designs mit Vergangenheit

Umhängetaschen, in die ordentlich was reinpasst, ausgefallene Sakkos im Patchwork-Look und Sweatshirts mit XXL-Prints – so unterschiedlich die Entwürfe des Berliner Designers Daniel Kroh sind, eines eint sie alle: Jedes Stück hat eine bewegte Vergangenheit. Sie wurden auf dem Bau getragen, in Landschaftsgärten sowie in Fabrik- und Montagehallen. Viele Teile zeugen von harter Arbeit, andere sind Zeugnis eines abgelegten Corporate Designs. So hat Kroh aus den vor drei Jahren ausgemusterten Uniformen der Deutschen Bahn eine eigene Kollektion geschneidert.

„Vor allem in Industrie- und Handwerksbetrieben ist der Lebenszyklus von Schutzkleidung meist kurz, die strapazierten Textilien werden rasch ausgetauscht", weiß Daniel Kroh. Und zwar aus eigener Erfahrung. Denn bevor der gelernte Herrenschneider sein eigenes Label gründete, entwarf er Arbeitskleidung für ein Mietservice-Unternehmen. „Als ich zum ersten Mal vor den riesigen Containern mit aussortierten Kleidungsstücken stand, war das Inspiration pur.“

Kleidung auf Bügeln und einem Haufen in einem Zimmer, daneben Frau in einem weißen, verkleckerten Kostüm Kleidung auf Bügeln und einem Haufen in einem Zimmer, daneben Frau in einem weißen, verkleckerten Kostüm

Neu verarbeiten statt aussortieren

Dieses Schlüsselerlebnis liegt fast 20 Jahre zurück. Seit 2006 kreiert der Upcycling-Pionier neue Teile aus alter Workwear. Zusätzlich rettet Kroh Deadstock der Industrie, also den textilen Produktionsüberschuss. Am meisten reizen ihn Kleidungsstücke, denen man ansieht, was sie mitgemacht haben: „Die Spuren harter Arbeit sind die Filetstücke meiner Entwürfe.“

Bevor sich Kroh Gedanken um die Schnittkonstruktion macht, werden die gereinigten Textilien in ihre Einzelteile zerlegt – und dann wieder zusammengefügt. Das Ergebnis dieser Handarbeit: außergewöhnliche Unikate mit Charakter. Oder in den Worten ihres Schöpfers: „Was die Arbeitswelt nicht mehr braucht, stellen wir in einen völlig neuen Designkontext.“

Krohs neuester Gegenpol zur Fast Fashion: Shirts, die als schmucker Kunstdruck an der Wand landen, wenn sie nicht mehr getragen werden. Mehr unter: ministryofupcycling.com

Grubenhelden: Tradition zum Tragen

„Meine Mode ist genauso wie die Menschen, die hier im Ruhrgebiet leben: geradlinig, authentisch, ehrlich.“ Das sagt Matthias Bohm über sein Label Grubenhelden. Im Frühjahr 2016 hat es der Quereinsteiger aus der Taufe gehoben. Was mit rund 20 Teilen begann, ist inzwischen zu einem facettenreichen Sortiment geworden. Zu den Basics wie T-Shirts und Hoodies sind Hosen, Jacken und Hemden hinzugekommen. Daneben gibt es von Basecaps und Beanies bis zu Taschen und Socken jede Menge Accessoires.

In jedem Teil lebt ein prägendes Stück des Ruhrgebiets weiter: der dicht gewebte Stoff, den die Bergmänner früher am Leib trugen, wenn sie unter Tage fuhren. So fertigen Bohm und seine Grubenhelden aus dem charakteristischen blau-weißen Hemdenmaterial gebrandete Hosenträger und Haargummis oder kleiden Kapuzen damit aus. Für die Kollektionen bedienen sie sich am textilen Fundus geschlossener Zechen und kooperieren mit dem Stoffproduzenten der ehemaligen Ruhrkohle AG.

Anders bei den sogenannten Unikaten – den Rucksäcken, Laptop-Taschen oder Kulturbeuteln, die aus abgelegten Bergmannsjacken oder -hosen gemacht sind, sieht man ihre Vergangenheit auch an. Gebrauchsspuren und Nieten sollen verdeutlichen: Du trägst die Tradition und Werte der Generation Bergbau buchstäblich weiter. Denn genau darum geht es dem zutiefst heimatverbundenen Gladbecker, der vor über 40 Jahren „auf Kohle geboren“ wurde. Produziert werden die Kleidungsstücke von Hand in deutschen und portugiesischen Werkstätten. Das Design ist Chefsache.

Stefan und Stefanie Rennecke von der Firma Kaya & Kato Stefan und Stefanie Rennecke von der Firma Kaya & Kato

Kaya & Kato: Arbeitskleidung aus Flaschen

„We change workwear“! Der Anspruch von Kaya & Kato ist groß. Und das Kölner Textilunternehmen tut eine Menge, um ihm gerecht zu werden. Das zeigt besonders die Clean-Ocean-Kollektion. Die Kochschürzen und -jacken für Beschäftigte in Restaurants, Hotels und Großküchen sind nicht nur robust und stylish. Die Arbeitskleidung trägt auch dazu bei, die Weltmeere von Müll zu befreien.

Denn in das Mischgewebe, aus dem sie hergestellt ist, fließen aus dem Wasser gefischte Plastikflaschen ein. Sie sind Beifang, den Fischer vor der Küste Spaniens aus ihren Netzen ziehen. Der spanische Stoffhersteller, mit dem die Rheinländer das Gewebe gemeinsam entwickelt haben, schreddert das Plastik zu Granulat. Daraus entsteht Polyestergarn. Verwoben mit Fasern aus Bio-Baumwolle wird es anschließend ökologisch gefärbt.

Zwei Männer mit Restaurantschürzen vor Restaurant mit offenem Fenster Zwei Männer mit Restaurantschürzen vor Restaurant mit offenem Fenster

Der Umwelt zuliebe

Was aufwendig klingt, verursacht dennoch keine zusätzlichen Kosten. Darüber hinaus, so Stefan Rennicke, Gründer von Kaya & Kato, sei das Prozedere deutlich ressourcenschonender als konventionelle Produktionsverfahren. Pro Meter Stoff werden 21 Prozent weniger CO₂ freigesetzt. Der Energieverbrauch reduziert sich um 20 Prozent. Außerdem werden in jedem Quadratmeter Stoff rund zwölf Plastikflaschen verarbeitet, die jetzt nicht mehr die Umwelt belasten.

„Seit der Gründung unseres Unternehmens im Jahr 2015 haben wir über eine Million Flaschen verarbeitet.“ Tausende Kleidungsstücke sind aus dem Clean-Ocean-Mischgewebe entstanden. Das sind nicht nur gute Nachrichten für Kaya & Kato, sondern auch für die Ozeane. Noch besser wäre, wenn weitere Unternehmen den Faden der Rheinländer aufgreifen würden – reichlich Stoff, für jede Menge nachhaltige Kleidungsstücke, gibt es.