Herr Brandtner an einem Holzklotz in seiner Werkstatt

Der Eisstockdrechsler vom Weißensee –
und seine Stars auf dem Eis

Manfred Brandtner drechselt einzigartige Eisstöcke aus Holz. Sein Geheimnis: Eine Mischung aus Birnen- und Ahornholz. So werden seine Sportgeräte zu Stars auf dem Eis.

Herr Brandtner mit einem Eisstock vor dem gefrorenen See Herr Brandtner mit einem Eisstock vor dem gefrorenen See

Das Bauen von Eisstöcken habe ich mir selbst beigebracht. Ich habe einfach so begonnen, wie ich es für richtig hielt.

Manfred Brandtner, Eisstockdrechsler

100-jährige Patina

„Das hier war mein erster“, sagt Manfred Brandtner und zieht einen hölzernen Eisstock aus dem Regal. Etwa 1975 erhielt er diesen Eisstock von einem alten Wagner, der ihn für Manfred Brandtner gedrechselt hatte. Ob man mit ihm noch spielen kann? „Na sicher“, sagt Brandtner. „Wenn sie richtig gemacht sind, halten sie ein Leben lang. Der hier zum Beispiel. Der ist knapp 100 Jahre alt.“ Er zeigt auf einen Eisstock, der auf einer Werkbank steht. Das Holz dunkel, der Metallring überzogen von einer Patina aus Rost. Ansonsten sieht er tadellos aus.

Herr Brandtner schaut auf den gefrorenen See Herr Brandtner schaut auf den gefrorenen See

Zurück zu den Wurzeln

Manfred Brandtner wohnt am Weißensee, im österreichischen Bundesland Kärnten. Ganz im Süden der Republik. Gerade mal 17 Kilometer sind es Luftlinie bis zur italienischen Grenze. Hierhin hat es ihn und seine Frau Erna zu Beginn der Rente zurückverschlagen. Hier sind seine Wurzeln – sein Großvater war bereits Schmied am Weißensee.

Für die meisten Anwohner ist das Eisstockschießen mehr als nur ein Hobby. Es ist ein Volkssport. Und fast schon eine Lebenseinstellung. „Im Winter treffen wir uns immer um halb eins auf dem See. Jeden Tag. Und dann wird so lange geschossen, bis es kalt wird“, erklärt er. „Wenn einer mit einem Kunststoffstock dazukommt, lassen wir ihn gar nicht erst mit schießen“, sagt Brandtner mit einem verschmitzten Lächeln. Bei ihren täglichen Spielen geht es in erster Linie natürlich um den Spaß. „Aber auch um Geld“, sagt Brandtner. 10 Cent für drei Punkte Differenz. „Heuer habe ich schon drei Euro gewonnen“, lacht er.

Der Autodidakt

Brandtner ist gelernter Tischler. Mit dem Drechseln kennt er sich daher bestens aus. Er hat das Handwerk gelernt. Nicht jedoch den Bau von Eisstöcken. „Das habe ich mir selbst beigebracht. Ich habe einfach so begonnen, wie ich es für richtig hielt.“

Während Brandtner erzählt, nimmt er einen noch sehr groben Holzklotz, der bislang lediglich mit der Motorsäge auf die richtige Größe gebracht wurde. Der Klotz wird in die Drehbank eingespannt. 750 Umdrehungen pro Minute. Später wird auf 1500 erhöht. In der Hand: Brandtners Lieblingswerkzeug, die Schüsseldrehröhre. Zentimeter für Zentimeter arbeitet er sich vor. Die Späne fliegen durch die Luft.

Perfekt geeignet: das Holz der Birne

Am liebsten arbeitet er mit Birnenholz. „Das ist gleichmäßig dicht und hat kaum Jahresringe. Daher kann man es besonders gut bearbeiten“, erklärt er. Etwa 90 Prozent seiner Eisstöcke sind daraus gefertigt. Aber auch Weißbuche und Esche sind extrem feste Hölzer und gut geeignet. Auf Wunsch hat der Rentner auch schon Eisstöcke aus Eiche oder Mahagoni gefertigt, „Aber das passt alles nicht so gut. Birne ist und bleibt das beste Holz hierfür.“

Nach wenigen Minuten und mehrfachem Wechsel der Schlüsseldrehröhren verschiedener Durchmesser (meistens nimmt er die große Variante, die mit 16 Millimetern) spannt Brandtner das Werkstück wieder aus. Bereits jetzt ist unverkennbar, dass hieraus bald ein fertiger Eisstock wird.

Ein Stern als Erkennungsmerkmal

Das Besondere an Brandtners Eisstöcken ist ihr Boden. Er besteht aus zwölf hölzernen Dreiecken, die zu einem Stern zusammengeleimt wurden. Halb Birne, halb Ahorn. Ein Teil Längsholz, ein Teil Hirnholz. Die perfekte Mischung für optimale Gleitfähigkeit und Langlebigkeit. Schließlich gibt es auf einen echten Brandtner eine lebenslange Garantie.

Die spezielle Bodenkonstruktion hat er sich im Laufe der Jahre erarbeitet. Unzählige Probeschüsse und jahrelange Praxiserfahrung stecken darin. Der Boden wird vor dem Drechseln auf den Holzrohling verleimt, überstehende Kanten werden mit der Bandsäge entfernt. Nun hat der Eisstock bereits seinen Sternen-Boden.

Viel Dampf zum Abschluss

Zwei wichtige Elemente fehlen noch. Erstens: Der Griff. Er besteht nicht aus Birne, sondern meist aus dem Holz der Haselnuss. Und dann ist da noch der Metallring. Ihn anzubringen ist einer der letzten Arbeitsschritte. Der Ring verleiht dem Sportgerät das nötige Gewicht, um über das Eis zu gleiten. Außerdem macht er den Eisstock robust, wenn er mit Wucht gegen andere Eisstöcke knallt.

Jetzt zeigt sich, ob er sauber gearbeitet und gut gedrechselt hat. Der hölzerne Eisstock muss perfekt rund und exakt einen Zentimeter breiter sein, als der Metallring. Im Ofen wird der Ring für zehn Minuten erhitzt, um auf die nötige Temperatur zu kommen. Dann geht alles sehr schnell: Brandtner holt den glühenden Ring aus dem Feuer, setzt ihn auf den gedrechselten Eisstock, schlägt fünfmal mit einem Hammer darauf und wirft den Eisstock in eine große Wanne mit kaltem Wasser. Es zischt, es dampft – der Eisstock ist fertig. Ein letzter prüfender Blick, ein zufriedenes Nicken. Ein echter Brandtner. Ganz klar: Diese Eisstöcke sind die Stars auf dem Eis.

So geht
Eisstockschießen

  • Das Spielfeld besteht aus dem Standfeld an einem und aus dem Zielfeld am anderen Ende
  • Der Zwischenbereich ist etwa 14 Meter lang
  • Die Spieler müssen sich immer im Standfeld aufhalten
  • Im Zielfeld liegt die sogenannte Daube – ähnlich dem Schweinchen, also der Zielkugel, beim Boule-Spiel
  • Die Spieler müssen mit ihren Eisstöcken so nah wie möglich an die Daube heran schießen
  • Die Daube darf das Zielfeld nicht verlassen
  • Ziel ist es, die Eisstöcke des eigenen Teams so nah wie möglich an der Daube zu platzieren
  • Für jeden Eisstock, der näher an der Daube liegt als der des Gegenspielers, gibt es zwei Punkte