Tufterin Zeyu Cheng sitzt vor Sofa auf Fußboden

Kunterbunte Kunst:
Zeyu, die Teppich-Tufterin

In ihrem Berliner Atelier tuftet Zeyu Cheng besonders flauschige und farbenfrohe Teppiche. Das Tufting-Handwerk ist für sie wie Malen mit Garn. Ihr wichtigstes Werkzeug: die Tufting-Gun.

Zeyu Cheng steht mit Tufting-Pistole in der Hand vor einer Leinwand Zeyu Cheng steht mit Tufting-Pistole in der Hand vor einer Leinwand

Kunstwerke mit der Tufting-Gun

Mit einem pistolengleichen Gerät in der Hand steht Zeyu Cheng vor dem großen, mit weißem Tuch bespannten Rahmen. Sie drückt den Abzug, dann fährt sie mit fließenden Bewegungen über die vorgezeichneten Linien. Von lautem Rattern begleitet schießt das rote Garn aus der Maschine. Die Vorlage füllt sich. Und doch wird es noch ein paar Stunden dauern, bis die 27-Jährige den knapp einen Quadratmeter großen Teppich fertig getuftet hat.

Getuftet? Der Begriff leitet sich vom englischen Wort „tuft“ für Büschel ab. Das Tufting gilt als eines der wichtigsten Verfahren der Teppichherstellung. Es wurde ursprünglich von amerikanischen Siedlern zur Herstellung voluminöser, wärmender Überdecken entwickelt. Heute unterscheidet man zwischen Maschinentufting, das meist zur Fabrikation klassischer Auslegeware eingesetzt wird, und Handtufting, wie es Zeyu für sich entdeckt hat.

Kreatives Schießen

Wichtigstes Werkzeug ist die knapp zwei Kilogramm schwere Tufting-Gun. Nach dem Prinzip einer Nähmaschine schießt die „Pistole”, die es ab 140 Euro zu kaufen gibt, Garn durch ein auf einen Rahmen fixiertes Trägermaterial. Es gibt welche, die das Garn bei jedem Schuss abschneiden, sodass die 1,2 Zentimeter langen Garnstücke einen dichten Flor bilden, Velours oder auch Cut-Pile genannt. Wird nicht geschnitten, bleibt die Schlinge erhalten. Dieser Schlingenflor oder auch Loop-Pile ist knotiger und wesentlich flacher.

Zeyu nutzt zumeist das Cut-Pile-Verfahren. In ihrem Berliner Atelier hat sie erst mal nur die Unterseite vor Augen, denn getuftet wird immer von hinten. Ist das Motiv schließlich mit Garn gefüllt, wird es aus dem zwei mal drei Meter großen Rahmen entfernt und ausgeschnitten, die Unterseite mit Filz verklebt und die Kanten gesäumt. Danach kommt der Feinschliff der Oberseite. Mit Schermaschine, Schere und Rasierer bringt Zeyu den Flor in Form, kappt hier und da ein paar Garnenden und saugt letzte Fusseln ab.

Zeyu Cheng kopfüber auf buntem Teppich Zeyu Cheng kopfüber auf buntem Teppich

Trend aus den USA

Das Tuften war für Zeyu ursprünglich nur als Beschäftigung während des Lockdowns 2020 gedacht. Im Netz stieß sie auf Tufting-Videos aus Amerika und wollte es unbedingt auch ausprobieren. Doch kaum einer kannte Tufting in Deutschland. In den USA hingegen war es schon länger ein Trend. Ihre erste Tufting-Gun, Garn und Tuch bestellte sie deshalb in einem amerikanischen Onlineshop, baute sich einen Spannrahmen und fing mit kleinen Motiven an.

Die ersten Teppiche behielt sie selbst. Als Wandschmuck, Untersetzer und kleine Läufer schmücken sie ihre Wohnung. Dann beschenkte sie Freunde und Familie. Schließlich postete sie neue Sachen auf Instagram und bot sie auf einer großen Online-Plattform für Handgemachtes an. Zu ihrer Überraschung dauerte es nicht lang, bis alle Stücke verkauft waren. Mittlerweile bestreitet sie den Großteil ihres Lebensunterhalts mit dem Verkauf ihrer kuscheligen Kunst, bietet selbst Tufting-Workshops und einen Onlinekurs für Anfänger an.

Kunterbunt und kuschelweich

Ihre Werke sind sehr spielerisch und farbenfroh, erinnern an die Flower-Power-Zeit der 60er-Jahre. Blumen, amorphe Formen, die wie Kleckse, Wellen oder Strudel aussehen, aber auch kleine Spiegeleier gehören zu ihren beliebtesten Motiven. Die kleinsten Kreationen messen nur 15 mal 19 Zentimeter und sind schon für 25 Euro zu haben. Runde Teppiche mit einem knappen Meter Durchmesser gibt es ab 360 Euro aufwärts. Für so ein großes Exemplar benötigt sie im Schnitt fünf Kilogramm Garn.

Die Motive entwirft Zeyu meist am Rechner und überträgt sie mit einem Projektor auf das gespannte Tuch. Aber es sind nicht nur Teppiche, die Zeyu tuftet. Sie kreiert außerdem Spiegel mit handgetuftetem Rahmen – und hat auch schon mal einen Stuhl mit flauschigem Sitz- und Rückenpolster aufgemöbelt. Und der ist wie alles, was durch ihre Hände geht: herrlich farbenfroh und wunderbar weich.