Terrazzo-Workshop: Ein Erfahrungsbericht
In einem schmucken Berliner Atelier zeigt Designerin Diana, wie man mit Gießharz und Farbchips ganz einfach einzigartige Objekte gestaltet. Unsere Autorin Catherine Hug war bei einem ihrer Terrazzo-Workshops dabei und hat gelernt, wie man eine Tischplatte im Terrazzo-Stil selber macht.
Kreativität pur: Terrazzo-Workshop in Berlin
Ganz langsam kommen die bunten Farbchips zum Vorschein. Einer nach dem anderen. Jedes Mal, wenn ich mit dem nassen Schleifpapier über die Oberfläche der Platte fahre, werden es mehr. „Mach noch ein bisschen, bevor du das feinere Papier nimmst“, rät mir Diana, die mir beim Schleifen immer mal wieder über die Schulter schaut.
Die Designerin veranstaltet heute in ihrem Atelier, das in einer ehemaligen Feuerwache in Berlin-Wedding liegt, einen Workshop zur Terrazzo-Herstellung. Neben mir lernen noch fünf weitere Frauen den richtigen Umgang mit Jesmonite, einem Gießharz auf Wasserbasis. „Es ist einfacher zu verarbeiten, staubt nicht so sehr und ist vor allem nicht giftig“, verrät sie mir auf meine Frage, warum wir nicht klassisch mit Zement arbeiten.
Diana Artemis Tsantekidou, wie sie mit vollem Namen heißt, weiß, wovon sie spricht. In dem großen und lichtdurchfluteten Raum experimentiert sie täglich mit verschiedensten Materialien und Techniken, verwebt Holz und Fäden zu klangvollen Kunstinstallationen, baut Prototypen eigener Möbelentwürfe – und begleitet die kreativen Experimente ihrer Workshop-Teilnehmerinnen.
Was ist Terrazzo?
Terrazzo ist ein bereits seit der Antike bekannter Bodenbelag, der eigentlich aus Zement und Zuschlagstoffen wie Marmor oder Kalkstein hergestellt und wie Estrich vor Ort gegossen, geschliffen und ganz zum Schluss poliert wird. Im Kleinen ist unser Herstellungsprozess damit vergleichbar – nur ohne den gesundheitsschädlichen Staub, der beim Arbeiten mit Zement eine Atemschutzmaske erfordert. Außerdem führen die von uns hinzugefügten Farbpigmente zu deutlich bunteren Objekten, als ich es vom klassischen Terrazzo kenne.
Mit ihren einmal im Monat stattfindenden Workshops möchte Diana eine Verbindung aus Kreativität und Spaß vermitteln. Mehr als drei Stunden nimmt sie sich dann Zeit und führt die bis zu zwölf Teilnehmer durch den kompletten Herstellungsprozess bis zum fertigen Objekt. „Ich möchte eine Wertschätzung für das von Hand Gemachte schaffen, die Kreativität im Herstellungsprozess zeigen“, sagt sie. „Material und Technik bieten eine große Freiheit, sich auszudrücken, und das Ergebnis ist immer einzigartig.
Terrazzo-Untersetzer selber machen? Kein Problem!
Für die Griechin mit russischen Wurzeln hat Terrazzo auch eine nostalgische Seite: „In Südeuropa ist Terrazzo sehr präsent, halb Griechenland, meine Heimat, besteht daraus“, erzählt sie. Auch das Unterrichten habe ihr schon immer gelegen. Nach einem Design-Studium in Hamburg und dem Master an der Weißensee Kunsthochschule Berlin unterrichtete Diana eine Zeit lang an der Kunsthochschule Kassel.
Damit sich ihre Teilnehmerinnen langsam an die Technik der Terrazzo-Herstellung herantasten können, lenkt Diana ihren Gestaltungsspielraum in festen Bahnen. Kleine Gießformen für Untersetzer oder Seifenschalen begrenzen den Raum, in dem sie mit Farben und Formen experimentieren. In weiterführenden Kursen, die sie alle zwei Monate anbietet, können erfahrene Teilnehmer dann auch größere Objekte herstellen.
Ran ans Werk: Terrazzo-Tischplatte herstellen
Ich bin heute schon das zweite Mal mit dabei und darf mich deshalb an die Tischplatte für einen kleinen runden Beistelltisch wagen. Dafür stelle ich zuerst die Farbchips her, die hier die Funktion der Zuschlagstoffe übernehmen. Jesmonite-Mehl und -Milch sowie eine Reihe flüssiger Farbpigmente stehen bereit.
Nachdem ich Ersteres im richtigen Mischungsverhältnis zu einer zähen Masse angerührt habe, beginnt nun der kreative Teil des Vormittags: Farbtöne anmischen. Unter stetigem Rühren mit dem Spatel füge ich einzelne Tropfen flüssigen Pigments zu der weißgrauen Masse und sehe zu, wie sie sich langsam verfärbt. Für mich ist das so meditativ, dass ich fast die Zeit vergesse. Dianas Hinweis, dass die Masse bereits nach kurzer Zeit auszuhärten beginnt, kommt gerade noch rechtzeitig. Die zwei unterschiedlichen Blautöne, die ich angerührt habe, fülle ich zum Aushärten in eine Form.
Lesetipp: Terrazzo-DIY für zu Hause – hier geht’s zur Anleitung.
Diese Scherben bringen Glück!
Nicht einmal 20 Minuten später sind meine Farbplatten getrocknet. Mit dem Hammer zerkleinere ich sie zu größeren Scherben. Dann kann ich die Basis für meine kleine Tischplatte anrühren, die benötigte Menge an Pulver und Flüssigkeit hat mir Diana bereits ausgerechnet. Spontan füge ich noch ein paar Tropfen Grün hinzu, außerdem zwei Handvoll kleiner bunter Farbchips aus Dianas Vorrat. Das macht die Platte noch lebendiger und verkürzt dazu die Trockenzeit.
In der von Diana vorbereiteten Gießform platziere ich die blauen Chips und gieße die mit den restlichen Chips vermengte Masse hinzu. Wiegen, anrühren, die Masse in die Form gießen – das alles fühlt sich ein bisschen an wie beim Backen. Nur so bunt sind meine Kuchen normal nicht.
Diana ist vielseitig unterwegs
Während mein Werk an der Luft trocknet, bestaune ich die vielen Materialien, Werkzeuge und Prototypen, die Dianas Atelier mit Leben füllen. Die blauen Schwerlastregale an der Wand des Werkstattbereichs sind gut gefüllt mit Farben und Baumaterialien aller Art. Tischbohrer, eine CNC-Fräse und viele andere Werkzeuge stehen und liegen griffbereit. Denn das Experimentieren und immer wieder etwas Neues zu machen seien das, was sie antreibe.
An Ideen mangelt es ihr dabei nicht, sie wechselt täglich zwischen verschiedenen Disziplinen hin und her. Nach Design hat sie gerade ein weiteres Studium abgeschlossen. So ganz nebenbei hat sie in den letzten Jahren Innenarchitektur studiert. In Zukunft möchte sie sich mit einem zweiten Studio auf eigene Möbelentwürfe und Innenarchitektur fokussieren. Die Gründung ist bereits in vollem Gange.
Das Finale: Feinschliff von Hand
Als ich meine durchgetrocknete Platte nach etwa einer halben Stunde aus der Form löse, sieht sie erstaunlich unspektakulär aus. Die großen blauen Chips sind wie geplant an Ort und Stelle geblieben und sichtbar – von den unzähligen kleinen bunten Chips ist jedoch keine Spur zu sehen. Doch weil ich das jetzt schon zum zweiten Mal mache, bin ich nicht überrascht, sondern weiß, dass der eigentliche Teil der Arbeit noch vor mir liegt. Erst durch ausgiebiges Schleifen werden die kleinen bunten Details an der Oberfläche sichtbar.
Langsam arbeite ich mich voran, angefangen mit einem groben 120er-Schleifpapier leuchtet die Platte mit jedem Durchgang lebendiger. Nach einer halben Stunde Schleifen sind meine Finger müde und ich mit dem bunten Look meiner Platte zufrieden. Mit 1000er-Körnung poliere ich die Oberfläche und trage eine dünne Schicht Acryl als zuverlässigen Schutz vor Flüssigkeiten auf. Dann endlich ist mein buntes Schmuckstück bereit fürs Wohnzimmer – und ich reif für meine Couch.