
Custom Bikes: Guten Biken baut Fahrräder
nach Kundenwunsch
Bei „Guten Biken“ in München schrauben Chef Davo Phillips und sein Team Fahrräder nach Maß zusammen. Ob wilde Sonderanfertigung, liebevoll restauriertes Einzelstück oder individuelle Custom Bikes – hier werden Fahrradträume wahr.


Leidenschaft für Räder
Das schönste Fahrrad, an dem er je gearbeitet hat? David „Davo“ Phillips grübelt ein wenig und zeigt dann auf ein Modell, das an der Wand befestigt knapp unterhalb der Decke hängt. Mit seinen kleinen Laufrädern und der gleichermaßen filigranen wie komplexen Rahmengeometrie sieht es aus wie ein schickes Vintage-Klapprad. Es ist ein original Moulton aus den 1980er-Jahren. Entworfen wurde es vom britischen Ingenieur und Erfinder Alex Moulton.
Das Moulton, erzählt Davo, ist eines der ersten Fahrräder mit Vollfederung. Und ein begehrtes Kultobjekt. Selbst das MoMA in New York besitzt ein Exemplar – als einziges Fahrrad in der gesamten Sammlung. Davo arbeitet schon seit einigen Jahren daran. „Und wahrscheinlich werden es noch ein paar mehr werden.“ Er sagt das ohne jeden Verdruss. Fahrräder, das wird schnell klar, sind für ihn viel mehr als zum Verschleiß verurteilte Gebrauchsgegenstände.
Viel Vintage und klassische Ästhetik
Davo ist Gründer von „Guten Biken“, einem Fahrradladen in der Altstadt von München, der auf Reparaturen und Custom Bikes spezialisiert ist, eben auf Fahrräder nach Maß. Ob wilde Sonderanfertigung oder museumswürdiges Einzelstück: Die meisten Bikes, die hier verkauft oder hergerichtet werden, sind auf ihre Weise erstklassig. Zu Davo kommen viele Kunden, die ihr jahrzehntealtes Vintage-Fahrrad wieder auf Vordermann bringen lassen möchten.
Auch die brandneuen Fahrräder bei Guten Biken haben mit ihren traditionellen Rundrohr-Rahmen eine eher klassische Ästhetik. Ein Zufall ist das nicht. „Wir arbeiten grundsätzlich mit Stahl- oder Titanrahmen“, sagt Fabian, der vor ein paar Jahren zum Team stieß. Denn die sind nicht nur stabiler und langlebiger, sie sind auch reparierbar. „Es ist beeindruckend, wie leicht und schnell moderne Bauteile sind“, sagt Davo. „Aber sie sind meistens nicht darauf ausgelegt, so lange wie möglich zu halten.“


Enge Zusammenarbeit mit dem Kunden
Exemplarisch zeigt uns Davo das Fahrrad eines Kunden, das sie vor Kurzem fertiggestellt haben. Es hat einen klassischen Rundrohr-Stahlrahmen, wie man ihn von Rennrädern aus den Achtzigern kennt. Doch statt der dünnen Reifen besitzt das Fahrrad breite Mountainbike-Pneus. „Das geht normalerweise gar nicht, weil der Platz dafür nicht ausreicht“, sagt Davo. Den Antriebsstrang hat er aus einer Kombination von Suntour- und Shimano-Komponenten der 1980er-Jahre zusammengebaut.
Derweil kommen immer wieder Kunden rein. Davo grüßt sie beim Vornamen, man kennt sich offenbar. „Der kreative Input wird oft gar nicht so sehr von uns geliefert, sondern von ihnen“, beschreibt er die Zusammenarbeit. Im Laden selbst herrscht eine Atmosphäre, die stark an die Fahrräder erinnert, an denen hier geschraubt wird: So hat Davo, ein gebürtiger Australier, ein junges, internationales Team um sich versammelt.


Vom Goldschmied zum Bike-Fachmann
Neben dem Kellerraum im Hinterhof und dem Hauptgeschäft im Vordergebäude hat sich Davo fünf Gehminuten entfernt eine weitere Werkstatt eingerichtet, in der er auch anspruchsvollere Projekte umsetzen kann, insbesondere den Bau von Rahmen. Eigentlich ist der 45-Jährige ausgebildeter Goldschmied, nach einem abgeschlossenen Studium in Australien wurde ihm ein Platz an der Akademie der Bildenden Künste angeboten. So kam Davo nach München – und blieb.
In München widmete er sich seiner anderen großen Leidenschaft: Fahrrädern. Von einem Freund lieh er sich ein Startkapital von 500 Euro, den kleinen Kellerraum ohne Fenster mietete er für 150 Euro im Monat. Bis Guten Biken zum ersten Mal etwas verdiente, sollte es eine ganze Weile dauern. Für ihre Reparaturen nahmen sie zunächst Sachleistungen an, die Kaffeemühle, die bis heute den Kellerraum schmückt, war ein solches Tauschgeschäft.
Nicht viel Werkzeug nötig
Aus den bescheidenen Anfängen ist mittlerweile ein kleines Unternehmen mit sechs Mitarbeitern geworden. Noch immer macht manches einen leicht improvisierten Eindruck. Doch Davo wirkt nicht wie jemand, der auf das große Geschäft lauert – im Gegenteil. Fragt man ihn nach Pflege- und Reparatur-Tipps für das eigene Fahrrad, gibt er bereitwillig Auskunft.
Am liebsten seien ihm die Kunden, die sich gut um ihre Fahrräder kümmern. „Ich wünschte, die Menschen würden die Wartung ihres Fahrrads nicht als lästige Pflicht sehen, sondern als etwas, das Freude bereitet“, sagt er. Dafür brauche es gar nicht viel Werkzeug: „Ein alter Lumpen, Kettenöl und eine Fahrradpumpe, ein kleines Multi-Tool und ein Inbusschlüssel-Set – das reicht meistens schon“, sagt Davo.