Frau bearbeitet Werkstück aus Holz mit Klüpfel und Stechbeitel

Jessi Strixner: Kleidung aus Holz

Die Holzbildhauerin Jessi Strixner aus München ist eine Meisterin der Illusionskunst. Mit ihren Werken täuscht sie gekonnt Stoff vor, wo keiner ist. Ein Besuch in ihrer Werkstatt.

Perfekte Täuschung

Die Werke von Jessi Strixner sind unglaublich. Die Holzbildhauerin schnitzt Kleidung aus Holz, die so echt aussieht, dass jeder sie sofort berühren will. In ihren Skulpturen liegt etwas zutiefst Haptisches. Sie lassen einen die eigene visuelle Wahrnehmung anzweifeln. Man wünscht sich, einen weiteren Sinn hinzuzunehmen, möchte, ja muss die Skulptur anfassen. Und in ihrer Werkstatt darf man das auch. Wie das rosa Käppi, bei dem wirklich alles aus Holz ist: die Falten des Kopfteils, die Nähte, das Schild.

Und auch für all ihre anderen „Klamotten“ braucht man ein scharfes Auge: für die goldglänzende Jacke oder die Tennissocke, für BHs und Slips, davon manche mit fein ausgearbeiteter Spitze, oder das T-Shirt, an dem sie gerade arbeitet. Die Werke bestechen durch ihre beeindruckend echte Optik – und durch den offensichtlichen Kontrast, der sich aus der Kombination von weich anmutendem Faltenwurf und hartem Holz ergibt.

Vom Zweifel zur Leidenschaft

Jessi Strixner teilt sich die Werkstatt mit ihrem Mann Philipp Liehr. Kennengelernt haben sie sich auf der Berufsfachschule für Holzbildhauerhandwerk in München. Dort absolvierten sie eine klassische Meisterausbildung. Für Jessi allerdings etwas zu klassisch. „Nach dem Abschluss war ich überzeugt, überhaupt nicht schnitzen zu können“, sagt die 31-Jährige. Ihrem Vater, auch ein Holzbildhauer, gab sie seine Schnitzeisen zurück, die er ihr geschenkt hatte.

Während Philipp weiter seine Karriere als Holzbildhauer verfolgte, arbeitete Jessi als Illustratorin. „Für mich war es schwer, das mitanzusehen", erzählt der 37-Jährige. Ihr Potenzial war schon damals offenkundig.“ Irgendwann schlug er ihr vor, es noch mal zu probieren. Vielleicht mit einem Thema, das positiv für sie besetzt ist? Ihrer Liebe zu Klamotten? Zuerst hätte sie sich noch gesträubt, sagt Jessi. „Aber dann konnte ich nicht widerstehen. Einen BH zu schnitzen, fand ich einfach spannend.“

Auftritt in den Tagesthemen

Der BH, den Jessi 2019 anfertigte, erregte direkt Aufsehen. Es folgen Preise und Einladungen zu Kunstmessen, 2021 porträtiert die ARD sie für die Tagesthemen. Holz könne sich in schier unglaubliche Dinge verwandeln, wenn man es einer Künstlerin in die Hand gebe, die selbst aus ganz besonderem Holz geschnitzt sei, sagte Caren Miosga damals in ihrer Anmoderation.

In der Werkstatt hat Jessi jetzt ein weiteres herausforderndes Kleidungsstück im Blick: einen Daunenmantel. „Den bauschigen Look der Federfüllung richtig hinzubekommen, wird sicher nicht einfach“, sagt sie. Doch erst mal benötigt sie einen geeigneten Ausgangsblock. Weil der Mantel lebensgroß wird, muss Jessi dafür mehrere mächtige Holzstücke glatt hobeln und verleimen. Das klingt leichter, als es ist. „Die Blöcke müssen zusammenpassen, sonst reißt es sie nachher wieder auseinander.“

Im Handwerk liegt ein Nervenkitzel

Könnte sie sich eigentlich vorstellen, ihre Werke am Computer zu modellieren und von einer CNC-Maschine fräsen zu lassen? Für Jessi ist das schwierig. Ihre Werke wirken ja paradoxerweise deshalb so realistisch, weil sie nicht eins zu eins die Realität abbilden. „Ich übertreibe regelmäßig Schatten- oder Faltenwürfe, einfach, weil es dann noch besser aussieht.“ Genau dieser Prozess sei aber ein vorsichtiges Herantasten – und damit etwas, das sich nur schwer am Computer nachbilden lässt.

Noch viel wichtiger ist aber etwas anderes: das Arbeiten mit den Händen. „Ich könnte darauf nie verzichten“, sagt Jessi. „Im handwerklichen Tun liegt ein Nervenkitzel. Es kann immer etwas schiefgehen – denn wenn ich im Holz arbeite, kann ich nicht einfach auf Strg-Z drücken.“