Pia sägt Statue

Feine Figuren mit der Kettensäge:
Im Gespräch mit Holzbildhauerin Pia Eisenhut

Ob mit der Motorsäge oder dem Schnitzeisen: Hingebungsvoll, geduldig und höchst präzise fertigt Pia Eisenhut aus dicken Baumstämmen ihre ungewöhnlichen Figuren – von feinen Miniaturen bis zu lebensgroßen Skulpturen. Das Handwerk hat die Holzbildhauerin und Lehrerin aus München an der Schnitzschule in Oberammergau gelernt. Mehr über sich erzählt sie hier im Interview.

Pia Eisenhut Pia Eisenhut

Das mag ich so an der Bildhauerei: Es gibt da nur Dich, Dein Stück Holz und das Werkzeug. Alles andere rückt in den Hintergrund.

Pia Eisenhut, Holzbildhauerin

Pia, auf welche Deiner Arbeiten bist Du besonders stolz?

Pia Eisenhut: Auf meinen 1,80 Meter großen Pferdekopf. Der war eine echte Herausforderung für mich, weil ich so etwas noch nie gemacht hatte und auch nicht wusste, ob es gut aussieht, wenn er mit Kopf nach unten dargestellt wird. Ich habe kein Modell vorher gefertigt, sondern nur nach Bildern gearbeitet. Außerdem bin ich stolz darauf, was ich alles schon auf die Beine gestellt habe, und dass ich auch während der Zeit meines Lehramtreferendariats immer wieder die Zeit gefunden habe zu schnitzen.

Für Dein Gesellenstück diente Dir ein anderes Tier als Vorlage …

… ja, mein Gesellenstück sind drei lebensgroße Nilpferdköpfe aus Roteiche.

Sie haben einen ganz besonderen Platz gefunden …

... das stimmt. Sie befinden sich inzwischen im Giraffengehege im Münchner Tierpark Hellabrunn. Bevor sie in den Zoo kamen, waren sie im Blindeninstitut in München ausgestellt, weil die Kettensägen-Struktur super interessant zum Anfassen ist. Leider konnten sie dort nicht bleiben, also habe ich sie dem Zoo geschenkt.

Was willst Du in und mit Deinen Figuren ausdrücken?

Die Figuren sollen meine Gefühle zeigen. Und ich will an die Schönheit erinnern – gerade in schwierigen Zeiten. Am meisten aber liebe ich es, den Figuren Leben zu geben. Ich höre immer wieder: „Mei, toll, sieh Dir das Gesicht an.“ Ich möchte genau das. Dass die Menschen sich die Figuren ansehen und lächeln oder staunen müssen. Sobald die Figur ein Gesicht hat, kommt Leben rein, und ich mag den Ausdruck, der auf den Gesichtern entsteht, wenn man nur ein kleines Detail ändert, etwa die Wangen etwas dicker macht. Kunst will ja oft provozieren, aber ich finde, sie kann auch einfach nur schön sein, dass man sie gerne ansieht und sich daran erfreuen kann. Ich bekomme oft Nachrichten, in denen sich die Menschen bei mir bedanken, weil ich ihnen mit den Figuren ein Lächeln ins Gesicht gezaubert habe.

Wie lange arbeitest Du im Schnitt an einer großen Skulptur, wie lange an einer Mini-Figur?

Für die großen Figuren brauche ich eigentlich immer über zehn Stunden. Neben der reinen Arbeitszeit vergeht noch viel Zeit für die Absprache mit den Kunden, Werkzeugpflege, Holz herrichten und so weiter. Die kleinen Figuren mache ich daheim oder in meiner Werkstatt. Für die brauche ich vier bis acht Stunden, je nachdem ob sie angemalt werden, ob es nur eine Figur ist oder zwei auf einem Sockel.

Wann hast Du Deine Leidenschaft für die Arbeit mit Holz entdeckt?

Holz mochte ich schon immer. Bereits als Kind war ich sehr kreativ, und ich hatte häufig die Möglichkeit, irgendwas zusammenzunageln oder zu schrauben. Mein Papa ist bei den Bayerischen Staatsforsten, ich war dadurch oft im Wald und in der Natur. Die Holzbildhauerschule war dennoch eher ein Zufall. Ich wusste nach dem Abi nämlich nicht, was ich machen sollte, und hatte das Glück, dass meine Eltern mich unterstützt haben und ich mich in Oberammergau ausprobieren konnte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eine der besten Entscheidungen in meinen Leben war. Die Ausbildung war so vielseitig, ich habe in den drei Jahren so viel gelernt. Die Zeit dort werde ich nie vergessen. Wir haben als Klasse zusammen in einer Werkstatt gearbeitet. Und der Austausch mit den anderen und die vielen Ideen, die von allen Seiten kamen – das war einfach Wahnsinn! Wir waren eine richtige Familie.

Du arbeitest ja für Kunden, machst aber Kunstwerke auch nur für Dich. Hält sich das die Waage?

Im Moment ist das Verhältnis von Aufträgen und eigenen Kunstwerken recht ausgeglichen. Ich versuche eben immer etwas für mich zu machen und meine Ideen umzusetzen. Meistens produziere ich mehrere Sachen auf einmal und entscheide dann nach Lust und Laune, was ich an dem Tag fertige. Da ich auch als Lehrerin arbeite und ein sicheres Einkommen habe, muss ich auch nicht alle Aufträge annehmen. Wenn ich von etwas nicht überzeugt bin, mache ich es eben nicht. So werde ich hoffentlich nie die Freude an meinem Hobby verlieren.

Willst Du irgendwann nur noch Deine eigenen Sachen machen?

Ja, langfristig möchte ich nur noch Kunstwerke schaffen, dir mir gefallen und die Menschen trotzdem toll finden und kaufen wollen. Das ist, denke ich, das Ziel eines jeden Künstlers. Teilweise gelingt es mir schon. Bei einer Ausstellung in der Schweiz habe ich mal alle Figuren verkauft. Das war ein echt großer Erfolg und hat mit gezeigt, dass es funktionieren kann.

Verrätst Du, was Deine Werke kosten?

Die Miniaturen starten bei ca. 200 Euro. Nach oben sind die Grenzen natürlich offen. Eine lebensgroße, zeitaufwendige Skulptur kann auch schon mal mehrere tausend Euro kosten. Wo meine Werke ausgestellt sind, kündige ich immer auf Instagram an.

Welcher Kundenauftrag ist Dir am meisten im Gedächtnis geblieben?

Die Frau im weißen Kleid. Sie heißt Matilda. Und ich habe sie zweimal gemacht, weil es einen Kommunikationsfehler mit der Kundin gab. Sie wollte die Figur 1,90 Meter groß, ich habe aber gedacht, sie will die Frau in 1,90 Meter und habe deshalb noch einen Sockel dazu gebaut, damit die Figur auch steht. Am Ende war sie 2,10 Meter und somit zu groß fürs Wohnzimmer. Ich musste dann also nochmal ran.

Was ist die große Herausforderung bei der Arbeit mit Holz?

Was weg ist, ist weg – zumindest, wenn man an einem großen Stamm arbeitet. Bei den kleinen Figuren kann man Stücke leichter mal anleimen, aber bei nassen Stämmen ist das eher schwierig – also muss ich stets sehr konzentriert und immer im Moment sein, sonst schneide ich ruckzuck zu viel weg. Das mag ich so an der Bildhauerei: Es gibt da nur Dich, Dein Stück Holz und das Werkzeug. Alles andere rückt in den Hintergrund. Man denkt auch nicht so viel über alles nach, sondern nur darüber, was für ein Schnitt als nächstes kommt.

Hast Du schon mal zu viel vom Stamm weggesägt?

Natürlich. Das ist aber nicht schlimm, dann mach ich alles ein Stück kleiner. Ich habe zumindest noch nie was verheizen müssen, konnte es immer noch retten. Da muss man eben ein bisschen flexibel sein.

Bevorzugst Du ein bestimmtes Holz?

Am liebsten arbeite ich bei kleinen Figuren mit Zirbelkiefer oder Linde. Da ich auch in meinem Zimmer schnitze, riecht danach die ganze Wohnung. Beides sind Weichhölzer, was anderes würde mit der Zeit zu sehr auf die Handgelenke gehen. Bei den großen Figuren nehme ich das, was gerade da ist, oft Esche und Pappel. Die Stämme bekomme ich von den Landwirten hier in Aubing oder von Baumpflegefirmen.

Wie fein kann man mit einer Motorsäge arbeiten?

Feiner als die meisten denken! Mit der Kettensäge geht alles superschnell, und man kann trotzdem fein arbeiten. Beim Pferdekopf habe ich nur die Augen und die Nase geschnitzt, der Rest, zum Beispiel auch die Ohren, ist alles mit der Kettensäge gemacht. Dafür ist die Akku-Kettensäge ideal, weil ich die Geschwindigkeit gut regulieren kann. Außerdem ist sie nicht so schwer, und ich kann sie lange halten. Bei den Stammarbeiten nehme ich solange es geht die Kettensäge, auch um meine Handgelenke zu schonen. Denn meistens arbeite ich mit Hartholz und dabei mit Klüpfel und Schnitzeisen, was die Gelenke mehr belastet als die Kettensäge. Ich lasse die Körper oft mit der Kettensägen-Struktur, das Gesicht arbeite ich fein aus. Das gibt einen tollen Kontrast. Die Schnitzeisen brauche ich lediglich für kleinere Figuren und die Details.

Benutzt Du eigentlich eine spezielle Säge?

Ich besitze mittlerweile drei Kettensägen. Gestartet habe ich mit einer Akku-Säge und einem 25-cm-Schwert. Irgendwann hatte die mir zu wenig Power und ein zu kleines Schwert, dann habe ich mir eine richtige große gekauft. Schließlich wollte ich noch eine kleinere mit viel Power und habe jetzt noch eine „Benziner“ mit einem 30-cm-Schwert. Was gut ist: Für alle Sägen gibt es Carving-Aufsätze. Damit entsteht kein Rückschlag. Bei der kleinen Akku-Säge kann ich sogar ohne Carving-Schwert super sägen, weil sie nicht so viel Wucht hat.

Worauf sollte man im Umgang mit der Säge achten?

Man sollte ausgeschlafen und gut konzentriert sein. Die Kette sollte scharf sein, sonst macht es nicht so viel Spaß. Nicht vergessen: die Kettensäge gut pflegen und Öl nachfüllen. Zu meiner Schutzausrüstung gehören neben Visier und Gehörschutz natürlich Schnitzschutzhose und Sicherheitsschuhe – ich muss die schweren Stämme ja immer allein herumrollen und aufstellen, da kann schon mal etwas auf die Zehen fallen.

Was ist Dein persönlicher Tipp für Hobby-Schnitzer?

Viel üben und nicht verzagen! Wer regelmäßig schnitzt, wird schnell Erfolge sehen. Auch ich steigere mich noch und werde schneller und besser. Und noch ein Tipp: Die Schnitzeisen sollten immer schön scharf sein, dann geht’s leichter, und man braucht nicht so viel Druck.

Tipp: Auch Holzbildhauerin Myrthe Rödelberger erschafft ausdrucksstarke Figuren.
Hier ihre Tipps für Anfänger, die das Schnitzen lernen wollen.