
Klimaneutral, kaum Nebenkosten:
Das Öko-Haus am Schaalsee
Ein über 100 Jahre altes Haus so sanieren, dass es nur wenig Heiz- noch Wasserkosten verursacht? In Rögnitz zeigt eine Wohngemeinschaft, wie das geht.


Zweites Leben für ein kleines Holzhaus
Eigentlich sollte es abgerissen werden, das 100 Jahre alte Holzhäuschen. Doch nun bekommt es ein zweites Leben geschenkt. Und was für eines! Der Hamburger Architekt Ralf Müller verliebte sich in das sympathische Anwesen, das damals noch in Brandenburg stand, und ließ es auf einem Tieflader nach Mecklenburg-Vorpommern versetzen. Genauer gesagt: nach Rögnitz am Schaalsee. Hier wird es komplett saniert und nach allen Regeln der Earthship-Kunst zu einem ökologischen Haus umgebaut.


Earthship-Gedanken fließen ein
Das Earthship-Konzept, auf Deutsch: Erdschiff, geht auf den amerikanischen Architekten Michael Reynolds zurück. Er sorgte mit seinen Entwürfen für klimaneutrale Häuser aus wiederverwendbaren Wertstoffen weltweit für Begeisterung. Und eben dieser nachhaltige Ansatz spielt nun bei dem Anwesen in Rögnitz eine wichtige Rolle. Ausschließlich recycelte oder recycelbare Materialien kommen bei der Aufbereitung des Hauses zum Einsatz.
Ökologisch sanieren, nachhaltig leben – so lautet das Motto von Architekt Ralf Müller. Gemeinsam mit einer guten Handvoll gleichgesinnter Menschen unterschiedlichen Alters lebt er nach dieser Devise. Sie alle haben sich zusammengefunden und bilden eine Wohngemeinschaft im alten Gutshaus, auf dessen Grundstück auch das Holzhaus steht. In der Praxis sieht das so aus: Zusammen leben, kochen, arbeiten – allerdings nur, wenn es sich ergibt. Jeder soll gleichzeitig frei und unabhängig sein.


Natürlich und nachhaltig – ökologisch modernisieren
Welche Materialien kommen im ökologischen Haus zum Einsatz? Da wäre beispielsweise Lehm. Der natürliche Baustoff ist besonders wärmespeichernd und deshalb für das Verputzen der Innenwände optimal geeignet. Die Außenfassade wird mit gepresster Holzwolle gedämmt, ebenfalls ein beliebtes Baumaterial für das ökologische Sanieren und Modernisieren.
Eine ausgeklügelte Abwasseranlage, die Grauwasser wiederaufbereitet, hält zudem die Nebenkosten und damit auch den Verbrauch so gering wie möglich. Der Gedanke kommt von den Earthships: Gesammeltes Regenwasser wird zum Duschen und Baden genutzt, landet danach in der Toilettenspülung oder wässert die Pflanzen.


Autoreifen dienen als Wärmespeicher
Und dann gibt es da noch den Trick mit den Autoreifen: Ralf Müller geht in den Keller und zeigt auf die mit Lehm gefüllten Autoreifen. „Die wirken wie Thermospeicher, geben bei Kälte ihre Wärme an die Umgebung ab“, erklärt er. „Wenn die Winter so mild bleiben, wird das Heizen in unserem Haus überflüssig – nie wieder Nebenkosten“. Eine Solaranlage soll Strom liefern, aber erst muss das Dach neu eingedeckt werden.
Auch Pflanzen sind ein wichtiger Teil der Idee. Wie jedes Earthship hat das Häuschen von Ralf und Regina einen Wintergarten an der Südseite. Der vergrößert die Wohnfläche und ist zugleich ein Gewächshaus. „Da wachsen dann Tomaten, Zucchini, Bananen, Kiwis und Mangos“, sagt Ralf. Auch das Bad wird in einem gläsernen Vorbau untergebracht.


Das ist die ökologische Wohngemeinschaft
Neben Architekt Ralf Müller und Lebensgefährtin Regina „Gina“ Hinz aus Hamburg leben hier auch Ute und Martin Rohrbeck aus Berlin, sie Theatermalerin, er Filmproduzent. Die beiden waren die ersten Städter, die sich damals kurz nach der Wende für ein Leben im abgelegenen Rögnitz entschieden. Sie kauften und renovierten eine Hälfte des verfallenen Gutshauses und machten es wieder zu einem lebendigen Treffpunkt. Auch die Rohrbecks setzen auf nachhaltiges Bauen.


Tiny House auf Rädern
Ausschlaggebend für den Wandel war dabei die inzwischen erwachsene Tochter Lale, die wieder in ihr Elternhaus eingezogen ist. Die 30-Jährige ist begeistert von der Earthship-Idee und steckte damit nicht nur ihre Eltern, sondern eine ganze Reihe von Gleichgesinnten an. Auf dem Gelände ist gerade auch ein zweiter alternativer Bau fertig geworden. Hier haben sich Lales Cousine Ceylan und ihr Freund Aurèle ein Tiny House auf Rädern gezimmert. Zwei Jahre hat das gedauert, jetzt sind die 25 Quadratmeter fertig. Wo es mal endgültig stehen soll, wissen sie noch nicht.
Urlaub im Tiny House

Was Colaflaschen mit einem Öko-Haus zu tun haben
Lale hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sie arbeitet für die Initiative „Wir bauen Zukunft“ im 30 Kilometer entfernten Nieklitz. Auf einem zehn Hektar großen Gelände entstehen dort zum Beispiel eine Tiny House-Siedlung, ein Co-Working-Space und verschiedene Themengärten. Mit Lale engagieren sich hier auch Ralf, Ceylan und Ute. In Seminaren können Teilnehmer lernen, wie aus Autoreifen, alten Flaschen, aus Coladosen und anderen Abfallprodukten autarke Häuser gebaut werden, ohne Nebenkosten, klimaneutral, kostengünstig. Eine alternative Zukunft des Bauens und Lebens, hier ist sie schon Gegenwart.