Schild zur Waldschule

Ferienerlebnis
WaldSchule

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) bietet in ihren WaldSchulen bundesweit Bildungsprogramme an, die für Kinder den Wald als Lebensraum erfahrbar machen.

Wie genau dies geschieht, zeigt unser Besuch bei einer Ferienaktion im Hamburger Stadtwald Niendorfer Gehege.

Ariane Schwarz Ariane Schwarz

Durch unmittelbares Erleben und eigenes Entdecken vermitteln wir Kindern praktisches Wissen über den Wald und fördern damit zugleich den verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur.

Ariane Schwarz, Leiterin SDW-WaldSchule Hamburg
Waldschule von draußen Waldschule von draußen

Ein Bussard im Baumwipfel

„Schau mal dort.“ Aufgeregt deutet Kaspar, der gerade noch den Fußball ins Tor befördert hat, auf eine Tanne. Ariane Schwarz lächelt und erklärt ruhig: „Das ist ein Mäusebussard. Die leben hier und ruhen sich in den Wipfeln aus.“ Der Siebenjährige nickt, die Augen immer noch nach oben gerichtet, wo sich der Vogel nun mit kräftigen Flügelschlägen in die Lüfte schwingt. Dann sprintet der Junge zurück auf den Rasen und schießt bald das nächste Tor.

Gerade einmal vier Stunden sind die 17 Kinder in der WaldSchule in Hamburg-Niendorf zusammen. Doch WaldSchul-Leiterin Ariane ist zufrieden mit dem Auftakt der Ferienaktion „Nur Fliegen ist schöner“.

Die Verständigung unter den Sieben- bis Elfjährigen, die aus der ganzen Stadt kommen und eine Woche von 9 bis 14 Uhr die WaldSchule besuchen werden, klappt bereits prima. Einige spielen Fußball, andere bearbeiten Bretter mit der Säge oder schnitzen.

Das Märzwetter meint es gut, die Sonne lacht vom Himmel, Krokusse blühen auf der Wiese, ein Buntspecht bearbeitet einen Stamm, und von allen Seiten zwitschern und pfeifen Vögel. Auch der Grünspecht ist in Balzstimmung und lässt seinen lachenden Ruf vernehmen. Nur die Flugzeuge, die das 150 Hektar große Waldstück überqueren, erinnern daran, dass die Kinder und die drei Waldpädagogen sich in der Großstadt befinden – in einem früheren Privatwald mit altem Baumbestand, der seit 1952 der Stadt gehört und im Norden an eine sechsspurige Straße grenzt.

Ariane Schwarz und Kind Ariane Schwarz und Kind

WaldSchule: Den Wald erlebbar machen

Doch diese Nähe zum urbanen Leben macht den Reiz der WaldSchule aus. Sie gehört zum Bildungsangebot der 1971 gegründeten Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und lag zunächst im nahe gelegenen Lokstedter Holt. Seit 2015 hat sie im Niendorfer Gehege in dem prächtigen Backsteinhaus neben der Försterei eine neue Heimat gefunden.

Pro Jahr kommen mehrere Tausend Kinder und Jugendliche in die WaldSchule, die neben den Aktionswochen in den Schulferien unter anderem die WaldSpiele, eine Rallye für Viertklässler mit rund 5000 Teilnehmern jährlich, sowie Kindergeburtstagsfeiern anbietet.

"Alle Programme möchten Kindern durch unmittelbares Erleben und eigenes Entdecken den Lebensraum Wald nahebringen und den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur fördern“, erklärt WaldSchul-Leiterin Ariane das Konzept. Sie kam 1999 durch ein Gartenprojekt nach Niendorf – und blieb. Seitdem hat sie unzählige Kinder- und Jugend- sowie Erwachsenengruppen betreut und viele Ferienaktionen durchgeführt.

Kleine Töpfe Kleine Töpfe

WaldSchul-Aktion Tontöpfe mit Vogelfutter

An diesem Montagmorgen starten Ariane und ihre Kolleginnen Marla Bastian (23) und Naemi Grunwaldt (20) mit einer Vorstellungs- und Regelrunde. Die Kinder erfahren, dass sie nur im Sitzen schnitzen dürfen, im Wald stets in Sichtweite bleiben sollen und allen Müll wieder mitnehmen müssen.

Nach einem gemeinsamen Frühstück liest Schwarz zur Einstimmung eine Geschichte über einen Buntspecht vor. Die Kinder lernen dabei, dass Spechte jedes Frühjahr einen neuen Partner suchen und die Eltern die Kotpäckchen ihrer Jungen aus dem Nest entfernen. Auch Kaspar lauscht andächtig – und freut sich, als Ariane die Tagesaktion ankündigt: Tontöpfe bemalen, in die später Kokosöl, Rosinen und Körner gefüllt werden. Kaspar entscheidet sich für Grün als Grundierung und pinselt fleißig. Als Ariane und Naemi die Kochplatte und die Futterzutaten auf den Tisch stellen, wollen alle rühren und Öl, Haferflocken, Körner und Rosinen in die Töpfe schütten. Auch Kaspar füllt Haferflocken ein und rührt kräftig um.

Kinder aus Froschperspektive Kinder aus Froschperspektive

Mit der WaldSchule den Wald erkunden

Während die Topfgrundierung trocknet und die Futtermischung fest wird, geht es für die Kinder endlich raus. Schließlich werden noch Stöcke benötigt, an denen sich die Meisen festhalten können. Auch ein Abstecher zum Hirschgehege steht auf dem Plan.

Doch bis die Gruppe dort ist, um Äpfel an das Wild zu verfüttern, wird der Wald erkundet. Die Kinder entdecken Rehspuren im Matsch, die Kaspar ausgiebig betrachtet. Das Fernglas, das jedes Kind bekommen hat, leistet ihm dabei gute Dienste. Marla erklärt, dass neben vielen Vögeln auch Rehe, Füchse und Marder im Gehege wohnen, Wildschweine jedoch nicht. „Die dichte Bebauung des Stadtteils hindert die Tiere daran, sich hier niederzulassen“, erläutert die 23-Jährige, die auf so gut wie jede Frage der Kinder eine Antwort weiß.

Marla studiert Umweltwissenschaften an der Uni Lüneburg, hat davor ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) in der WaldSchule absolviert und arbeitet nun dort als Honorarkraft. Ein Nebenjob, der ihr Spaß macht: „Es ist toll zu sehen, wie Stadtkinder, die noch nie im Wald waren, hier aufblühen und sich für Tiere, Pflanzen und Bäume begeistern können.“

Tipi in Wald Tipi in Wald

Über Baumstämme balancieren und Hirsche füttern

Auch Kaspar lässt sich anstecken von der besonderen Atmosphäre des Stadtwaldes. Er staunt über das bunte Gefieder des Eichelhähers, entdeckt ein Eichhörnchen, balanciert über Baumstämme und klettert mit den anderen Kindern auf ein Äste-Tipi.

Fröhlich winkt der Siebenjährige mit dem leuchtend gelben Stern auf der dreckbespritzten Jacke Ariane, Marla und Naemi zu, die das Geschehen vom Weg aus beobachten. Interessiert lauscht er, als Ariane erklärt, dass der abgenagte Zapfen das Werk eines Eichhörnchens ist und die von Gängen durchzogene Fichtenrinde vom Borkenkäfer bearbeitet wurde. Endlich geht es ans heiß ersehnte Hirschfüttern. Alle greifen in die Dose und füttern, bis die Äpfel alle sind. Kaspar probiert es danach mit Moos, das eine Hirschkuh zu seiner Freude genüsslich kaut. Doch wenig später haben die Tiere genug von der trockenen Kost – und Ariane vertröstet ihre Schützlinge auf den nächsten Tag.

Kind Nahaufnahme Kind Nahaufnahme

Punkte für die Futter-Tontöpfe

„Wir haben einen groben Tagesplan und starten morgens immer mit einer Aktion. Aber wir sind flexibel und nehmen Anregungen der Kinder gerne auf. Schließlich haben sie Ferien und sollen Spaß haben“, sagt Ariane, die jetzt den Weg zurück zur WaldSchule einschlägt, wo die Tontöpfe auf ihre Verzierungen warten. Die Punkte, Kleckse, Streifen und Blümchen werden draußen im Garten aufgemalt. Kaspar entscheidet sich für Punkte.

Wer fertig ist, kann spielen, was er möchte. Die meisten greifen zu Schnitzmessern und Sägen und bearbeiten die gesammelten Stöcke und Holzstücke, die Naemi im Bollerwagen zum Haus transportiert hat.

Naemi Waldschule Naemi Waldschule

„Die Kinder sollen Spaß haben“

Die 20-Jährige stammt aus Hamburg und macht seit einem halben Jahr FÖJ in der WaldSchule. Sie lässt sich von den Kindern zu einer Partie Fußball überreden und achtet zugleich darauf, dass sie Messer und Säge richtig benutzen. „Es ist toll, mit Kindern zu arbeiten, ihre Begeisterung zu erleben und bei jedem Wetter draußen zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich diese Erfahrung auch im Studium gut gebrauchen kann“, sagt sie – und mischt sich wieder unter die Schar, die auf dem improvisierten Fußballfeld zwischen Maulwurfshügeln und Pylonen dem Leder hinterherjagt – während ein Kind nach dem anderen abgeholt wird.

Auch für Kaspar heißt es nun Abschied nehmen. Er kann sich schwer trennen – und ist nur mit dem Versprechen zum Gehen zu bewegen, dass er gemeinsam mit seinem Freund Hannes auf der Tipi-Lichtung weiterspielen darf. Denn dort wartet noch ein Vogelnest, das beide aus Ästen, Tannengrün und Moos zu bauen begonnen und nicht vollendet hatten. Als es zwei Stunden später schließlich nach Hause geht, freuen die Jungs sich sehr, ihre Futtertöpfe im Garten aufzuhängen.