
Weiden flechten:
Wie aus Weidenruten Gebäude wachsen
Thomas Hofmann erntet Weidenruten, damit sie an anderer Stelle Wurzeln schlagen können. Seine „lebenden“ Kunstwerke: Kirchen und Klassenzimmer.


Mich fasziniert es, Räume zu bilden, wo Menschen zusammenkommen, die dann selbst etwas erschaffen.
Der Weidenkünstler
Thomas Hofmann aus dem hessischen Vogelsberg ist ein Paradiesvogel.
Er ist Weidenkünstler, aber auch Yogalehrer, Schauspieler und Gaukler. Früher war er sogar Seiltänzer, ging mit seiner Frau auf Tournee durch ganz Europa.
Vor über zwei Jahrzehnten entdeckte er das Weidenflechten für sich, schuf zunächst klassische Körbe und Skulpturen aus getrockneten Ruten.
Heute balanciert er mit griffbereiter Gartenschere und Klappsäge auf der obersten Sprosse seiner Leiter. Er ist bei der Ernte. Hoch oben im Geäst von Kopfweiden.
Die dort herausgeschnittenen Ruten sind das Baumaterial für seine Kunstwerke: lebende Räume – Gebäude aus grünen, frischen Weidenruten, die neu wurzeln und weiter wachsen.
Weiden eingraben, gießen und flechten
Lebendige Weidengebilde wachsen weiter und verändern sich mit der Zeit. Dazu brauchen sie Wasser und Pflege von Menschen, wenn sie mehr als ein paar Sommer halten sollen.
In Form von Iglus und Tunneln sind sie beliebte Spielhäuser in Kindergärten und Schulen.
Thomas Hofmann kombiniert auch lebende und getrocknete Weiden für seine Werke. Das Prinzip: Ruten von Hand rund 50 Zentimeter tief in den weichen Erdboden drücken. Ist der Boden zu hart oder die Rute zu dünn, wird z. B. mit einer Eisenstange vorgebohrt. Sind die Ruten frisch und der Boden feucht, treiben die Weiden schon bald Wurzeln aus.
Gleich nach dem Stecken geht es ans Verflechten. Die biegsamen Ruten können gebogen und miteinander verwoben oder verzwirbelt werden. Nur abknicken solle man sie nicht. Auf Bindematerialien wie Draht, Kabelbinder oder Schnüre verzichtet der Weidenkünstler.
Prachtvolle Weidentunnel und -kirchen
Für die Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort am Rande des Ruhrgebiets baute Hofmann ein grünes Klassenzimmer.
Die Kuppel aus lebenden Weiden ist vier Meter hoch. Außerdem schuf er üppige Weidentunnel, die den Besuchern Schatten spenden. Sie sind eine willkommene Nahrungsquelle für Bienen.
Sein wachsendes und sich stetig veränderndes Gotteshaus steht in Steinberg in der Nähe seines Freiluftateliers.
Die Pflege der Weidenkirche hat er an Freiwillige übergeben. Jedes Jahr gilt es, die neuen Triebe wieder in die Struktur zu weben oder zu stutzen. In trockenen Sommern muss viel gegossen werden. Eines ist nämlich so sicher wie das Amen in der Kirche: Seine Kunstwerke sind nie wirklich fertig. Sie sind lebendig.
Mehr Infos über den Weidenkünstler findest Du hier.